Freitag, 7. Mai 2021

Verabschiedet sich Überlingen von einem sozial-ökologischen Leuchtturmprojekt?

Seit mindestens vier Jahren hat Überlingen das neue Wohngebiet Südlich Härlen geplant, wo auch der Neubau des spitälischen Altenpflegezentrums entstehen soll. Nach einem aufwändigen Architektenwettbewerb wurde ein Entwurf preisgekrönt, der auch unter ökologischen Gesichtspunkten einmalig war und sowohl in der Bürgerschaft als auch im Gemeinderat einhellig große Begeisterung und Zustimmung erfuhr. So war auch geplant, vollkommen auf eine Regenwasserkanalisation zu verzichten, weil alles Oberflächenwasser über begehbare Versickerungsflächen "entsorgt" werden sollte. Der Entwurf überzeugte auch durch eine durchgrünte, offene Gestaltung und viel Platz für Spielplätze und soziale Begegnungen. Der Bebauungsplan ist lange fertig und war bereits in der Offenlage.

Diese Planung ist nun in Gefahr
Der Überlinger Spital- und Spendfonds als Eigentümer der Grundstücke fordert aus finanziellen Notwendigkeiten jetzt deutlich mehr Bau- und Wohnfläche. Rund 3600 qm mehr sollen es werden, was natürlich nur zu Lasten der Grünflächen gehen kann. Zudem sollen die großen Wohngebäude statt 3+1 nun 4+1 Geschosse (etwa 16,5m Höhe) bekommen, was etwa der ähnlich hohen Bebauung nördlich Hildegardring entspricht. Nicht nur die Spielplätze sollen verkleinert, auch die Versickerungsflächen und der Baumbestand drastisch reduziert werden, was das ganze ökologische Konzept infrage stellt. Durch mehr und größere Baukörper wird die bisher geplante Luft- und Blickdurchlässigkeit stark eingeschränkt. Und:
Ersatzlos entfallen wird auch das geplante Hospiz!
Die drei Planvarianten: Links der preisgekrönte Entwurf des siegreichen Architektenbüros, der sich durch eine stark durchgrünte offene Gestaltung auszeichnet. In der Mitte die überarbeitete Planung nach den Vorstellungen des Spital- und Spendfonds, deutlich verdichtet, etwa 3600 qm mehr Bau- und Wohnfläche zu Lasten der Strukturen und Freiräume. Rechts der kaum diskutierte und abgelehnte Kompromissentwurf der Planungsbüros, der immerhin noch etwa 3000qm mehr Fläche bieten würde, aber die Grünstrukturen erhält und die ökologische Entwässerung ohne Abwasserkanal sicherstellt.

Dass diese veränderte Planung möglicherweise nicht optimal funktioniert, war schon im Bauausschuss angesprochen worden. Die anwesenden Vertreter der beteiligten Planungsbüros nahmen die Anregungen auf und fertigten in Eigeninitiative ohne Auftrag(!) einen weiteren Entwurf, der gut als Kompromiss gelten könnte. Erst nach Aufforderung durch die BÜB+ hat Baubürgermeister Matthias Längin diese Kompromissplanung öffentlich gezeigt, aber ohne weitere Erklärung. Er und die Stadtverwaltung lehnen die Umsetzung dieses Kompromisses strikt ab. Einer - von der BÜB+ beantragten - erneuten ausführlichen öffentlichen Vorberatung dieser Kompromissplanung im Bauausschuss hat die Mehrheit des Gemeinderates widersprochen.

Im Überlinger Gemeinderat gibt es einen ausgewiesenen Fachmann mit einer Professur für ökologische Wasserbewirtschaftung. Seine eindringlichen Argumente gegen die verdichtete Planung und seine Werbung für den Kompromiss wurden vom Tisch gewischt: Der Gemeinderat beschloss mehrheitlich, den Kompromissentwurf nicht weiter zu verfolgen, sondern den hochumstrittenen Plan vom 5.3.2021 als Grundlage der weiteren Planung anzuwenden.

Die Meinung Ihrer BÜB+ Stadträte
Auch wir sehen die Notwendigkeit, dass der Spital- und Spendfond finanziell stark bleibt, um seine Aufgaben zu erfüllen. Zumal durch das in Planung befindliche neue Pflegezentrum, durch eine kommende Umnutzung des Pflegezentrums St.Ulrich und durch einen seit Jahren stark rückläufen Ertrag aus Holzeinschlag der finanzielle Spielraum enger geworden ist. 
Aber rechtfertigt das auch, ein sensibles und im Blickfeld stehendes Gelände bis über das Erträgliche hinaus zu bebauen? Zwei Stadträte nannten es deutlich "ausmosten". Ein Verhalten, das die Überlinger Bürger oft genug Investoren und Baulöwen vorwerfen müssen, denen das Überlinger Stadtbild eher gleichgültig ist: Hauptsache, die Kohle stimmt. 
Warum kommt die Erkenntnis "mehr erlösen zu müssen" der Spitalverwaltung erst jetzt, nach Jahren der Planung? Spitälischer Stiftungsrat und der Gemeinderat sind identisch, da ist es zugegeben eine Zwickmühle für jedes einzelne Mitglied: Als Stiftungsrat muss man die Interessen der Spitalstiftung vertreten, als Gemeinderat die der Bürger der Stadt und für ein gutes Stadtbild mit (er-)lebenswerter Baugestaltung. Warum muss das jetzt alles so schnell durchgepeitscht werden, ohne dass man sich genügend Zeit für eine umfassende Diskussion und Beratung eines vorliegenden Kompromissentwurfes nehmen will? Warum nimmt man sich nicht auch die Zeit, die Bürger ausführlich zu informieren?
Ohne den Antrag der BÜB+ auf Verweis in den Bauausschuss und auf öffentliche Beratung wäre diese Umplanung nämlich bereits im April gefallen: Nichtöffentlich!
Dass das so gar nicht geht meinen Ihre BÜB+ Stadträte Kristin Müller-Hausser, Roland Biniossek, Dirk Diestel

1 Kommentar:

  1. So funktioniert halt Demokratie, die Mehrheit entscheidet!
    Auch eine Professur bedeutet nicht das nur diese Meinung zählt, bzw. richtig wäre.
    Müßte die BüB+ doch wissen aus Erfahrung im Gemeinderat!
    Die BüB+ sollte endlich mal Mehrheitsbeschlüsse akzeptieren.

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