Dienstag, 25. Juli 2023

Nachruf: Dr. Ottfried Viktor Schlak 1944 -2023

Viktor Schlak   Foto: (C) SÜDKURIER
Die BÜB+ trauert um Viktor Schlak. Er ist nach einem verhängnisvollen Sturz in seinem geliebten Garten am 18. Juli im Krankenhaus verstorben. Mit ihm verliert die BÜB+ einen engagierten Freund und die Stadt einen ehrenhaften Streiter für den Naturschutz. Er war ein Mensch, der einem Streit nicht aus dem Weg ging, wenn er sich im Recht glaubte. Er kämpfte beherzt für seine Idee von Überlingen als  „Essbaren Stadt“, deren Grünflächen er resolut verteidigte. 

Ob nun die von der Stadt betriebene „Druckrohrverfüllung“ vom Andelshofer Weiher zum Mantelhafenkraftwerk oder die drohende Zerstörung des Naherholungsgebiets St. Leonhard bzw. Rauenstein: Viktor Schlak meldete sich zu Wort und korrespondierte mit den Stadtoberen bzw. den Gemeinderäten. Es ist sein Verdienst, dass die Kleingartenanlage St. Leonhard in das öffentliche Bewusstsein der Überlinger gerückt ist. Seit einer Gebührenerhöhung durch die Stadt Anfang 2000 hing dort der Haussegen schief. Die Stadt wollte die Kleingärtner mehr an „ihren“ Kosten beteiligen, aber letztlich nur die Flächen Stilllegen und Umwidmen mit dem unausgesprochenen Ziel einer späteren Bebauung. Viktor berief sich stets auf das Bundeskleingartengesetz und wiederholte mit stetem Eifer: „In Kleingärten ist keine Monokultur von Gras vorgesehen“.

Beim SWR Dreh in seinem geliebten Garten: Dr. Schlak
Er fühlte sich zum „zivilen Ungehorsam“ berufen und griff zur Schaufel und pflanzte dort Kartoffeln an, wo die Stadt innerhalb der Kleingartenanlage eine Wiese anlegte. In der Presse wurde er zum „Kartoffelrebell“ und erlangte überregionale Bekanntheit, als sogar die „Abendschau“ des SWR auf dem Kartoffelacker auftauchte. Im April 2020 wurde er von der Stadt verklagt. Sein Name „Viktor“ und „Schlak“ war gewissermaßen Programm. Wenn er auch vor Gericht verloren hat, so hat er doch die Herzen der Bürger gewonnen, denn die Ernte des Kartoffelackers hat er der Überlinger TAFEL zur Verfügung gestellt.

Viktor Schlak, ein Mann mit Zivilcourage, den wir in Überlingen vermissen werden. Mit ihm verlieren wir einen engagierten Mitstreiter, den wir stets in guter Erinnerung behalten.


Mittwoch, 19. Juli 2023

Sind diverse Überlinger Bebauungspläne unwirksam?

Im beschleunigten Verfahren erstellt:BPlan Rauenstein Ost
Seit heute früh geht die Meldung durch die Nachrichten: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Anwendung des höchst umstrittenen §13b des BBauG als Verstoß gegen Europäische Gesetze gewertet. Damit dürften viele kommunale Bebauungspläne, die schnell und  ohne Umweltgutachten im beschleunigten Verfahren erstellt wurden, unwirksam werden. Auch in Überlingen.

Die BÜB+ hat dazu eine Pressemitteilung geschrieben.

BVG entscheidet gegen Anwendung des §13b BBauG in Bebauungsplänen
Mit großer Befriedigung nimmt die BÜB+ das neue Urteil des BVG Leipzig zur Kenntnis, das unter bestimmten Voraussetzungen bei Bebauungsplänen die Anwendung des beschleunigten Verfahrens (gemäß § 13b BBauG)) untersagt. Es widerspricht europäischen Gesetzen. Mit diesem Verfahren konnte bisher die Umweltverträglichkeitsprüfung in Bebauungsplänen  vermieden werden.

Das Urteil wurde durch eine Klage des BUND Baden-Württemberg erreicht, die sich gegen einen umstrittenen Bebauungsplan in Gaiberg bei Heidelberg richtete. Das nun grundsätzliche Urteil wird hoffentlich auch Auswirkungen auf die Bebauungspläne der Stadt Überlingen haben, die ebenfalls unter Anwendung des §13b entstanden sind: Besonders der Bebauungsplan Überlingen Rauensteinstraße Ost, der die als Landschaftspark ausgewiesene und eigentlich geschützte St. Leonhardswiese betrifft. Die BÜB+ begrüßt dieses Urteil ausdrücklich und fordert die Stadtverwaltung auf, alle in Frage kommenden Bebauungspläne als ungültig zu erklären.

Bereits früher hat sich die BÜB+ immer gegen die Anwendung der beschleunigten Verfahren ausgesprochen und im Gemeinderat entsprechende Bebauungspläne abgelehnt. Für den BPlan Rauenstein-Ost,  den Landschaftspark St. Leonhardswiese, muss nicht nur ein vollständiges Umweltverträglichkeitsgutachten erstellt werden, sondern auch eine Untersuchung hinsichtlich ihrer Funktion als Frischluftschneise für die Innenstadt erfolgen. Obwohl auch im BPlan Kibler-Rauenstein (Park Schloß Rauenstein) ein beschleunigtes Verfahren nach §13a BBauG beschlossen wurde, betrifft das BVG Urteil diesen Bebauungsplan vermutlich nicht. Die Intention des Urteils, die fehlenden Umweltverträglichkeitsgutachten in beschleunigten Verfahren, sollte  die Stadtverwaltung jedoch zum Anlass nehmen, auch diesen Bebauungsplan zu überarbeiten.

Quellen:  BUND   VGH Leipzig

Die BÜB+ hatte hier bereits mehrfach zum Bebauungsplan  und §13b berichtet.

Montag, 17. Juli 2023

Gibt es in Überlingen wirklich einen rechtsfreien Raum?

Nach der nächtlichen Party: Unmengen Müll
Wenn man mit seinem Hund (oder auch ohne) im Stadtgebiet unterwegs ist, trifft man immer wieder mal Bürger, mit denen man auch ein "Schwätzchen" hält, die einem ein Problem erläutern wollen. Man weiß zwar, dass die BÜB+ nicht (mehr) im aktuellen Gemeinderat vertreten ist, weiß aber auch, dass die BÜB+ immer ein offenes Ohr für Sorgen und Anliegen der Bürger hat. So ging es dem Autor dieser Zeilen auch vor einigen Tagen, als er etwas provokant gefragt wurde: "Haben wir in Überlingen eigentlich mittlerweile einen rechtsfreien Raum?"

Der Bürger erläuterte seine Frage auch gleich: Wo ist die Polizei, wenn man z.B. wegen nächtlicher Prügelei oder Ruhestörung an der Promenade dort anruft? "Unser Streifenwagen ist gerade in Salem" könne man dann durchaus zur Antwort bekommen. Oder als ihm von einem rumänischen "Händler" Hundewelpen verkauft werden sollten - der Transporter mit dicht gedrängt eingepferchten Welpen stand gleich am Landungsplatz. Bis die Polizei kam, war der Verkäufer samt Transporter längst geflüchtet.

Oder das Parken...
Gefühlt sei ab 22 Uhr kein Mitarbeiter des Ordnungsamtes mehr unterwegs, um die Massen von Falschparkern im Bereich Landungsplatz, Hofstatt, Krummebergstraße oder Münsterplatz wenigstens per Knöllchen zu verwarnen. (Anmerkung: Für den ruhenden Verkehr ist die Polizei nicht zuständig). Gleiches gilt auch für die Franziskanerstraße, wo oft dicke PKW bedenkenlos im Bereich der Shisha Bar geparkt würden. Leider sind die Verwarnungsgelder, wenn sie überhaupt erhoben werden,  teilweise billiger als einige Stunden Gebühr im Parkhaus.

Am Landungsplatz...
Zu der Zeit, wenn das Ordnungsamt gefühlt Feierabend hat, kommen an den Landungsplatz auch die ersten Jugendlichen zum Chillen, was eigentlich noch kein Problem darstellt. Unangenehm wird es spätestens dann, wenn Glasflaschen im Takt zum voll aufgedrehten Ghettoblaster fliegen und zerplatzen. Wer morgens vor der Stadtreinigung an der Promenade (wobei hier auch der ZOB genannt werden sollte!)  flaniert, sieht die Überreste der Feiernacht: Pizzakartons, leere und zerborstene Flaschen, Kippen ohne Ende. Die in den See oder ins Gras geworfenen Kippen sieht man nicht mehr, aber besonders dort geben sie ihre massiv umweltschädlichen Gifte ab.

Dem Bürger konnte ich nur einen Rat geben: Beschwerde an die Stadtverwaltung, Leserbrief an den Südkurier schreiben. "Alles schon gemacht", war seine Antwort. "Genutzt hat es nichts!"

Wir meinen dazu:
Solche Geschehnisse verärgern Bürger, aber ein rechtsfreier Raum ist damit natürlich nicht entstanden. Das Recht gilt noch immer. Wenn die Polizei in der Nacht unterbesetzt ist, kann man dies den Beamten nicht zum Vorwurf machen. Die tun, was sie können, mit großem Engagement und können nicht überall gleichzeitig sein. Die Landespolitik ist in der Pflicht, etwas zu ändern. Gleiches gilt auch für den städtischen Vollzugsdienst, der seit Jahren personell unterbesetzt ist. Wen wundert es, denn deren Arbeit kann man sicherlich nicht als attraktiv bezeichnen. Besonders wenn man erfährt, wie die Damen und Herren oft beschimpft werden. Hier ist die Stadtverwaltung gefordert, für die städtischen Mitarbeiter Verbesserungen zu schaffen, neue einzustellen. Ein ausdrücklicher Dank geht von uns an die Stadtreinigung, die selbst am Sonntag frühmorgens die Spuren der Partys beseitigen. Der Vorwurf geht an die Personen, denen Regeln und deren Einhaltung eher suspekt sind.

Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?
Ist Überlingen wirklich zu einem rechtsfreien Raum geworden? Wo erkennen Sie Probleme? Oder darf man das alles nicht so eng sehen? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar!

Montag, 10. Juli 2023

Gesetze und Würste, oder: Bebauungspläne

In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der bekannte Journalist der SÜDDEUTSCHEN Zeitung, Heribert Prantl, über das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, dass die Abstimmung zum strittigen Thema Gebäude Energiegesetz gestoppt hat:

Gesetze und Würste
Die Opposition, an der Spitze Friedrich Merz von der CDU, redet von einer Klatsche für die Ampel. Das stimmt zwar, ist aber nicht das Entscheidende. Entscheidend ist: Das Verfassungsgericht stärkt, wie schon oft, die Parlamentsrechte – und zwar diesmal in einem ganz zentralen Punkt. Dieser Karlsruher Beschluss ist ein berechtigter und notwendiger rechtsstaatlicher Kommentar zu einer berühmt-berüchtigten Bemerkung von Otto von Bismarck über Gesetze und Würste. Man sollte, so meinte er, „besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden“, weil man so nicht mehr ruhig schlafen könne. Der Satz gilt als Ausrede dafür, es nicht so genau zu nehmen. Man wird mit solcher Lässigkeit weder den Würsten noch den Gesetzen gerecht. Ohne penible Beachtung der Herstellungsverfahren gibt es weder gute Wurst noch gute Gesetze.

Als ich diesen Text gelesen habe, fiel mir gleich eine Parallele im Überlinger Gemeinderat ein: Wenn dem Gemeinderat Bebauungspläne zur Entscheidung vorgelegt werden, hat man in der Regel etwa eine Woche, um sich durch hunderte  von Seiten zu lesen. Es gab sogar mal einen Fall, da waren es gleich mehrere Bebauungspläne, die alle in einer Sitzung beschlossen werden sollten. In Summe waren dazu weit über 1000 Seiten innerhalb weniger Tage zu lesen und zu verstehen. Was natürlich unmöglich ist wenn man berücksichtigt, dass man als ehrenamtlicher Stadtrat "nebenbei" auch noch seine tägliche Arbeit und seine Familie hat. Eine ausführliche Diskussion mit der Fraktion und vorab vielleicht auch mit Gemeinderatskollegen anderer Fraktionen ist nahezu unmöglich. 

Das Ergebnis: Man nickt etwas ab, was man eigentlich noch gar nicht will. Wenn dann zusätzlich noch von Verwaltungsseite Zeitdruck gemacht wird, kann es keine gute Entscheidung geben. So wie die oben zitierten Bismarck`schen Würste: Besser man weiß nicht, was drin ist. Wobei diese Einstellung der Verantwortung eines Stadtrates nicht gerecht werden kann. (Dirk Diestel)