Donnerstag, 21. Oktober 2021

BÜB+ Rauswurf aus den Gremien vertagt

Hatte die Verwaltung nicht ahnen können, dass die zwei verbliebenen BÜB+ Stadträte Kristin Müller-Hausser und Dirk Diestel sich  - ohne deren vorherigen Einbeziehung - mit dem Neubesetzungsvorschlag der Fraktionen nicht einverstanden erklären würden? Was denn sonst, wenn man bedenkt, dass die zwei aus nahezu allen Gremien des Gemeinderates hinausfliegen sollen. In einer fast kuriosen Debatte um den rechtlich richtigen Weg einer Abstimmung zur Neubesetzung wurde mit sehr knapper Mehrheit eine Vertagung beschlossen, um zunächst rechtliche Fragen zu klären. Einige Räte dagegen meinten, sofort wählen zu wollen, egal, ob das Verfahren rechtlich sicher sei. Man konnte es bei einigen spüren: Nichts wie weg mit den BÜB+ Stadträten. Über einen Antrag der BÜB+, die Beibehaltung des Status Quo (also keine Veränderung) der Gremienbesetzung zu beschließen, wurde nicht abgestimmt. Das nämlich wäre rechtlich zulässig und mit Sicherheit der einfachste Weg gewesen. Es gab aber auch der BÜB+ wohlwollende Stimmen.

In der Sitzungsvorlage wurde von der Verwaltung und den Fraktionen umfangreich begründet, warum eine Neubesetzung unbedingt notwendig sei. Selbst der abtrünnige frühere BÜB+ Stadtrat Biniossek, der die ganze Misere verursacht hatte, schloß sich dem Vorschlag der Fraktionen an. (Da er keinem der beratenden Gremien als Mitglied angehört, hat er auch nicht viel zu verlieren). Zudem sei es ja die BÜB+ selbst schuld, wenn sie die Fraktion auflöse. Zu dieser Sitzungsvorlage haben die zwei BÜB+ Räte ausführlich Stellung genommen. Wir geben die Stellungnahme hier im vollem Wortlaut wieder.

Stellungnahme von Kristin Müller-Hausser und Dirk Diestel, BÜB+
zum Wahlvorschlag der Fraktionen zur Gremienbesetzung.


Sie schreiben in ihrer Begründung:
Zitat: „Die Auflösung der Fraktion BÜB+ macht aus Sicht des Gemeinderats eine Aktualisierung der Gremienbesetzungen erforderlich.“
Dazu stellen wir fest:
Es ist keinesfalls erforderlich, die Zusammensetzung der Gremien zu aktualisieren. In einem ähnlichen Fall, in diesem Sommer, hat die Stadtverwaltung von Heilbronn folgendes in ihrer Sitzungsvorlage ausgeführt:
„Gefordert ist im §40 der Gemeindeordnung eine vollständige Neubildung, sobald es Veränderungen gibt, beispielsweise etwa, weil es Verschiebungen in den Kräfteverhältnissen des Gemeinderats gibt. Das aber ist eine Kann- und keine Muss-Regelung. Das bedeutet, der Gemeinderat kann eine solche Neubildung der Ausschüsse beschließen, er ist aber nicht verpflichtet, dies zu tun.“ Dabei handle es sich um eine Ermessensentscheidung des Gemeinderats.
Der Gemeinderat von Heilbronn hat die Gremienzusammensetzungen nicht verändert, sah dazu – anders als Sie hier - keine zwingende Erfordernis.

Entsprechend könnte der Gemeinderat von Überlingen -ebenfalls in einer Ermessensentscheidung- alles so belassen, wie es derzeit ist. Wenn man berücksichtigt, dass die Wahlliste der BÜB+ mit 12,6% der Wählerstimmen auf Platz vier der sechs Wahllisten gewählt wurde – also noch vor der FDP und vor der SPD, die heute hier auch über die BÜB+ entscheiden – ist es richtig und notwendig, den Wählerwillen auch bei der Besetzung der Gremien zu beachten. Diese sollen den Stimmenanteil ebenfalls widerspiegeln. Für beratende Ausschüsse gibt es in der Gemeindeordnung lediglich die Vorgabe, dass sie aus der Mitte des Gemeinderats gebildet werden, der frei über die Zusammensetzung entscheiden kann.
Alle anderen Entscheidungen und besonders jede willkürliche Nichtberücksichtigung entsprechen nicht dem Wählerwillen.

Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum die Fraktionen uns beide selbst aus beratenden Arbeitsgruppen wie der für unsere Städtepartnerschaften, der Hafenkommission, Innenstadtverkehr oder der Hotelgruppe Zimmerwiese hinauswerfen wollen. In diesen Gremien ist Sachkenntnis gefragt, hier sollten parteipolitische Überlegungen keine Rolle spielen. Das gleiche gilt sicherlich auch für Mandate in den Aufsichtsräten oder Gremien wie dem Abwasserzweckverband, den wir ebenfalls verlassen sollen.

Wir bitten die Fraktionen darzulegen, warum aus ihrer Sicht die zwingende Notwendigkeit besteht, uns aus sämtlichen Arbeitsgruppen und aus den Aufsichtsräten zu entfernen.

In der Begründung von Ihnen heißt es weiter:
Zitat: „Ausschüsse und Arbeitsgruppen sind optionale Gremien. Sie dienen ausschließlich dazu, die Arbeit des Gemeinderats effizienter zu machen. Das erfordert in der Regel, dass ihre Mitglieder eine größere Gruppe von Mitgliedern des Gemeinderats vertreten und sich inhaltlich eng mit diesen abstimmen. Fraktionen können eine solche Abstimmung leisten, denn genau für diesen Zweck werden sie gebildet.“

Wir fragen uns:
Wieso soll es weniger effizient sein, wenn sich lediglich zwei statt bisher drei Stadträte gegenseitig informieren und abstimmen? Ist es nicht viel sinnloser, wenn wir uns dann wegen Nichtkenntnis der vorherigen Beratungen in der letztendlich entscheidenden Gemeinderatssitzung informieren müssen, umfangreiche Nachfragen stellen?

Sie schreiben:
Zitat: „...weil darauf geachtet werden muss, dass Mitglieder von Fraktionen in der Praxis nicht schlechter gestellt sind als fraktionslose Mitglieder...“
Wir würden gerne wissen, wieso dann bisher keine Schlechterstellung der anderen Fraktionen  bestand, als wir selbst noch Fraktionsstärke hatten? Ist die verlangte Besserstellung einer Fraktion rechtskonform? Ist es nicht eher so, dass fraktionslose Mitglieder des Gemeinderates deutlich schlechter gestellt sind: Weil sie keine wichtigen Informationen mehr aus den Sitzungen des Ältestenrates erhalten sollen oder im HalloÜ nicht mal mehr ihre Kontaktdaten veröffentlichen dürfen?

Hinsichtlich unserer Nichtberücksichtigung im Ältestenrat verweisen wir ausdrücklich auf §11a der Geschäftsordnung, in dem es heißt:
Zitat: „Der Ältestenrat besteht aus dem Oberbürgermeister als Vorsitzenden und je einem Mitglied der Fraktionen und Wählervereinigungen des Gemeinderates. Für die Mitglieder werden je ein/e Stellvertreter/in benannt.“
Demnach steht der Wählervereinigung BÜB+ die Mitgliedschaft im Ältestenrat zu. Die bisherige Nichtzulassung sehen wir als rechtswidrig an.

Sie schreiben weiter:
Zitat: „Unser Wahlvorschlag stellt für die drei fraktionslosen Mitglieder der Wahlliste BÜB+ keine Härte dar. Jeder ist weiterhin in einem beschließenden Ausschuss vertreten (der von Frau Müller-Hausser wurde zudem mit ihr abgestimmt)“
Dazu stellen wir fest: Es stellt sogar eine bedeutende Härte für uns dar, weil wir künftig nicht mehr die Informationen haben, die wir bisher durch Teilnahme in allen Gremien hatten.

Und wir stellen fest: Ein Vorschlag, dass Frau Müller-Hausser einen Sitz abgeben soll, wurde ihr zwar gemacht, dem wurde von ihr aber nicht definitiv zugestimmt.

Vollkommen ohne jedes Verständnis sind wir für diese Formulierung von Ihnen:

Zitat: „Ohnehin haben sie ihre Fraktion aus freien Stücken aufgelöst, es bestand dazu keinerlei formale Notwendigkeit. Auch andere Fraktionen haben inhaltliche Auseinandersetzungen zu bestehen, ohne dass sie eine Auflösung ins Auge fassen.“

Nein, eine formale Notwendigkeit für die Auflösung der Fraktion BÜB+ gab es nicht. Wir haben in voller Kenntnis der möglichen Folgen den Kollegen Biniossek aufgefordert, unsere Fraktion zu verlassen und sein Mandat für einen Nachrücker zur Verfügung zu stellen.
Glauben Sie allen Ernstes, das haben wir nur so zum Spaß gemacht? Glauben Sie wirklich, wir tolerieren einfach mal so ein Mitglied in unserer Fraktion, das offen und in hoher Position eine Partei unterstützt, die unverhohlen rassistische Aussagen bis hin zu antisemitischem Gedankengut von sich gibt? Hätten wir, nur um Fraktion zu bleiben, unser gesamtes Denken und unsere persönliche Grundüberzeugung verleugnen sollen, nur um hier im Gemeinderat keine Nachteile zu bekommen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber würden wir diesen Gemeinderat verlassen, wenn diese Tolerierung die Bedingung zum Erhalt des Fraktionsstatus wäre! Dass Herr Biniossek zwar rechtlich leider zulässig, aber eben demokratisch und menschlich sehr zweifelhaft, sein Mandat, das er über die BÜB+ Liste errungen hatte nicht freigibt, können Sie uns beiden nicht anlasten. Auch nicht, dass wir seine Aufforderungen zur Bildung einer Zählgemeinschaft konsequent ablehnen. Denn damit würden wir seine politischen Einstellungen wieder tolerieren. Das ist uns beiden der Fraktionsstatus nicht wert.

Wir wünschen Ihnen - besonders den zwei Fraktionen mit nur drei Mitgliedern - nicht in so eine Situation kommen zu müssen. Wir haben in voller Kenntnis der Folgen nur diesen einen Weg gesehen, um auch unserem eigenen Selbstverständnis gegenüber glaubwürdig zu bleiben. Wir bitten Sie, Ihren Ermessensspielraum so zu nutzen, dass der aktuelle Status Quo der Gremienbesetzung unverändert beibehalten bleibt. Dem vorliegenden Besetzungsvorschlag stimmen wir nicht zu.

Wir stellen folgenden Antrag:
Kristin Müller-Hausser und Dirk Diestel als Stadträte der Wählergemeinschaft BÜB+ stellen den Antrag, sämtliche Ausschüsse, Gremien und Arbeitskreise in der aktuellen Besetzung zu belassen, weil es rechtlich keinerlei Notwendigkeit für eine Änderung gibt.
Für den Ältestenrat benennen wir als Vertreter der Wählervereinigung BÜB+ Dirk Diestel, Stellvertreterin Kristin Müller-Hausser.

Nach den Abstimmungen bitten wir um die Möglichkeit, eine gemeinsame persönliche Erklärung abzugeben. (§26 der GO)

20.10.2021
Kristin Müller-Hausser, Dirk Diestel

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